Oje, hier herrschen ja ganz schön viele falsche Vorstellungen. Ich bin Informatiker am (fast) Ende des Studiums auf der TU Wien und kann daher folgendes definitiv sagen:
- als Informatiker lernt man nicht programmieren, sondern die grundlegenden Konzepte und Prinzipien. Programmieren in konkreten Sprachen ist etwas, was man sich damit dann leicht selbst aneignen kann.
- als Informatiker auf der Uni lernt man definitiv nicht, mit Anwendungsprogrammen umzugehen. Wie oben geht es um Konzepte.
- Informatik ist eine Formalwissenschaft, ähnlich Mathematik. Es gibt praktische und theoretische Ausprägungen - im Grundstudium (1. Jahr) auf der Uni lernt man aber jede Richtung kennen und kann sich dann entscheiden.
- Informatik ist viel mehr als "das mit dem Computer". Gerade die Grenzgebiete und interdisziplinären Informatikrichtungen sind die interessanten neuen Felder, in denen man auch gute Zukunftschancen hat (gegenüber der "klassischen" Kraut-und-Rüben-Informatik).
Einige dieser neuen interdisziplinären Richtungen sind:
- Medizinische Informatik (Grenzgebiet zu Medizin, Chemie, Physik)
- Informatik und Gesellschaft (Grenzgebiet zu Soziologie, Psychologie, Philosophie)
- Computergraphik und Multimedia, Medieninformatik (Grenzgebiet zur Kunst, vor allem visuelle KĂĽnste und interaktive Medien, sprich, Computerspiele)
Es gibt natĂĽrlich auch noch klassischere Richtungen wie eben Wirtschaftsinformatik (Grenzgebiet zu Wirtschaftswissenschaften), Technische Informatik (Grenzgebiet zur Physik und Elektrotechnik), Theoretische Informatik/Logik/AI, Software Engineering, usw.
Generell lässt sich im Vergleich zu Fachhochschulen sagen, dass auf der Uni weniger "praxisorientiert", aber dafür allgemeingültiger gelehrt wird. Es sind die prinzipiellen Hintergründe wichtig, wie man diese in die Praxis umsetzt, ist der eigenen Intelligenz überlassen. Dadurch ist man aber im Vorteil, denn man ist weder an bestimmte Programmiersprachen gebunden noch an bestimmte Anwendungsprogramme oder Betriebssysteme.
Wer eher einen praktischen Zugang will (ich nenn's einen "Fast Food Zugang"), mit dem man direkt von der Ausbildung im Job gleich was machen kann, soll in die Fachhochschule gehen.
Wer eine wissenschaftliche Ausbildung möchte, und dadurch Konzepte lernt, die auch noch in 30, 40 Jahren Gültigkeit haben, soll auf die Uni gehen.
Ist Geschmackssache. Generell gilt jedoch, dass Uni-Absolventen im Berufsleben noch eine Schulung machen mĂĽssen, um in den konkreten Job trainiert zu werden - aber das ist ein Vorteil und wird absolut empfohlen (Schulungen sind was gutes, und im Beruf bekommt man diese gratis! Das wird einem schon im ersten Semester Informatik an der TU Wien vom Professor Schildt, einer Quasi-Ikone der TU Wien, ans Herz gelegt).
Ich persönlich habe mich konzentriert auf das Gebiet Computergrafik, und damit liege ich im sehr dynamischen und sehr interessantem Grenzgebiet zwischen Computerspielen (interaktiven Medien), Virtual Reality, Augmented Reality, und wissenschaftlichen Anwendungen der Computergrafik (etwa Informationsvisualisierung, medizinische Visualisierung).
Generell gilt: Informatik ist kein abgegrenztes Studium, sondern immer ein interdisziplinäres, das - je nach Fachgebiet - mit so ziemlich jeder anderen Studienrichtung zu tun haben kann. Von daher wird Informatik erst dann keine Zukunft mehr haben, wenn alle anderen Richtungen auch keine mehr haben.
EDIT: einige Kommentare kann ich nicht so stehen lassen. Verzeiht mir
andr_gin hat geschrieben:Informatik hat mit Physik nichts zu tun. Natürlich unterliegen die Schaltkreise selbst auch den physikalischen Gesetzen aber das ist kein Ausbildungsschwerpunkt. Man braucht etwas Mathematik (halt die Grundoperationen wie Potenzieren, Zahlensysteme etc.) aber dann ist es auch schon aus. Von Physik muss man eigentlich auch nur die Gesetze der Gravitation beherrschen (wenn man es fallen lässt ist es hin). Wie das Ganze intern funktioniert ist zwar interessant aber gebraucht wird das eher seltener.
P.S.: Ich habe auch letztes Jahr noch Cobol gelernt aber noch nicht C++ also man lernt nicht nur in der Uni unnötiges Zeugs.
Mathematik braucht man viel mehr als Potenzieren und Zahlensysteme. Man braucht lineare und allgemeine Algebra (Matrix und Vektorrechnung, Codierungstheorie), Analysis (Folgen und Reihen, Taylor-Polynome),
ganz wichtig ist die Graphentheorie und Kombinatorik, und Statistik sowie Computernumerik (Rundungsfehler, Konditionszahlen, Fehlerfortpflanzung) sind später von Bedeutung.
Physik hat sehr wohl etwas mit Informatik zu tun. Informatik bewegt sich auf der digitalen Ebene, aber in der Natur gibt es nur analog, genau diese Diskrepanz muß man kennen, ansonsten passieren Fehler deren Wurzel man niemals findet. Wer sich spezialisieren will, für den gibt's sogar Wahlfächer wie "Physik für Informatiker".
Was hat jedoch Gravitation mit Informatik zu tun? Der Bereich der Physik, der konkret was mit Informatik zu tun hat, ist doch die Elektrizität und in weiterer Folge die eigene Studienrichtung Elektrotechnik.
Ach ja, auf der Uni lernt man keine Sprachen selbst, sondern Konzepte. Auch wenn man sehr praxisferne Sprachen wie HASKELL lernt, diese Konzepte die man lernt, sind allgemeingültig. Horizont erweitern heißt es. Das ist nicht "unnötig". Natürlich wird man nicht alles interessant finden, aber würde man auf der eine Sprache lernen, und nicht die Konzepte generell, wäre DAS dann "unnötig".
Außerdem wird sowieso verlangt, dass man sich konkrete Sprachen selbst aneignen kann, und sich nicht frontral dafür berieseln lässt. Studieren auf der Uni heißt halt einfach "Hirn selbst einschalten, selbst lernen,
nicht belehrt werden"
ReneW hat geschrieben:Programmieren an der Uni kannst eh vergessen, die haben jedes Jahr ne neue Sprache (Ich weiss wovon ich spreche) die man wieder lernen kann.
Java, C, SML, Pascal, und noch irgendwas anderes fĂĽr Betriebssysteme (oh grau, erweitere ein Betriebssystem und brings zum laufen)
Sprachenunabhängig Prinzipien lernen ist das wichtige. Dann kann man JEDE Sprache automatisch. Es sind Konzepte wichtig, und nicht die konkrete Sprache, die man lernt. Sprich, so wie's auf der Universität gemacht wird, ist es eh super: erst einmal generell imperatives Programmieren in Einführung in das Programmieren, dann speziellere Programmierkonzepte wie "Funktionale Programmierung" (Haskell), "Objektorientierte Programmierung" (Generic Java), "Logikorientierte Programmierung" (PROLOG).
ReneW hat geschrieben:Computergrafik und Bildanalyse gabs ja auch noch. (Das fand ich allerdings lustig, Autotonwertkorrekturen OpenGL usw. programmieren.)
In der Computergrafik gibt's noch viel mehr. Auf der TU Wien wird eine LaborĂĽbung angeboten, wo man ein OpenGL Spiel programmieren soll. Echtzeitrendering/Echtzeitgrafik, Virtual Reality, usw. sind auch lustig.
ReneW hat geschrieben:Und in den Vorlesungen gabs bei uns nur Theorie.
Wennst nur Programmieren willst brauchst die UNI net. Da lernt man sowas nicht
Sprech jetzt als TELEMATIKER. Da hast ĂĽbrigens gleich mehr als 3 WĂĽnsche auf einmal: Informatik Mathematik Physik Elektrotechnik als Basisrichtungen.
Das ist richtig. Man wird nicht zum Programmierer ausgebildet (das kannst in der HTL machen), aber man muß programmieren können.
ReneW hat geschrieben:PS: Mag. und Dipl. Ing. etc gibts auch keine neuen mehr.
Das habens abgeschafft, bin auch keiner mehr geworden.
Jetzt gibts nur mehr Bakk. techn. und Mas. techn.
Und die Doktoren wollens auch bald nur mehr fĂĽr die Mediziner rausrĂĽcken.
Das ist eindeutig falsch, nämlich Universitätsabhängig. Das Masterstudium an der TU Wien schließt man nach wie vor als Dipl. Ing ab.
Doktoratsstudien gibt's auch weiterhin. Es ist eher das umgekehrte in der Diskussion: dass man Mediziner zu Mag. macht, denn eigentlich ist es ja unfair, dass deren Mag/Dipl-Ing-Level AbschluĂź schon "Dr." heiĂźt.